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Drehbücher
zu drei unverfilmten Fernsehspielen
"Wir haben ja um Gottes Willen nichts zu eilen! ... meine gemachte Musique liegt und schläft gut."
Wolfgang Amadeus Mozart, 28, am 10. Februar 1784 aus Wien an seinen Vater
"Tu eine gute Tat, und wirf sie mitten in den Fluß. Wenn er ausgetrocknet ist, wirst du sie finden."
Altägyptisches Sprichwort
Simon oder urkundlich Simone Pellegrini (1960-1991) wurde im Tessin geboren und wuchs in Hessen auf. Also sprach und schrieb er Deutsch.
Als Kind einer Bildschirm-Generation faszinierte ihn schon früh die damals erblühende Gattung des Fernsehspiels. Aber als er 22jährig das Glück hatte, schon mit seinen ersten pseudonymen Versuchen auf diesem Gebiete von den öffentlich-rechtlichen Fernseh-Anstalten entdeckt, produziert und ausgestrahlt zu werden, sah er die Resultate auf dem Monitor nur mit Enttäuschung. Wo ihm Kunstwerke dieses neuen Genres vorschwebten, wurde inzwischen kommerziell und industrialisiert eine Fließband- und Massenware hergestellt.
Also verweigerte Pellegrini sich fortan einem Medium, das er für veruntreut hielt.
Trotzdem schrieb er fortgesetzt Fernsehspiele, deren künstlerische Möglichkeiten er weiter auszubauen trachtete. Ihre Chancen auf deutschen Monitoren verlegte er in eine utopische Zukunft. Dann aber, träumte er, sollten eines fernen Tages verwertbare Drehbücher fertig vorzufinden sein.
Doch als Produzenten, auch im Auftrage von Fernseh-Redakteuren, diesen neuen Drehbuchautor nach weiteren Arbeiten fragten, zitierte er gern hinhaltend aus einem Mozart-Briefe jenen Satz, den wir auch diesem Sammelbande als bezeichnendes Motto vorangestellt haben: "Wir haben ja um Gottes Willen nichts zu eilen! ... meine gemachte Musique liegt und schläft gut."
Aber 31jährig kam Pellegrini bei einer Studienreise in die Karibik unter rätselhaft gebliebenen Umständen auf der Insel Saint Lucia ums Leben.
Aus seinem halbvergessenen Nachlaß veröffentlichen wir nun erstmals drei Fernsehspiele, die wir für seine besten halten. Alle drei wurden in den 1980er Jahren geschrieben, aber zeigen auf verblüffend hellsichtige und meist satirische Weise schon gesellschaftliche Fehlentwicklungen der folgenden Jahrzehnte auf.
"Safety first" (1986/87) konfrontiert das manisch materialistische Profit- und Sicherheitsdenken einer Yuppie-, Spaß- und Wohlstandsgesellschaft mit dem exotischen Widerpart eines musizierenden Paragliders von den Seychellen, dessen kreolisch naïves Schöpfungsvertrauen ("wie Vögel unter dem Himmel") alle Kalkulationen der Zivilisation hier komödienhaft ad absurdum führt.
"Maktub oder Das Gesetz der Wüste" (1989) wurde dem Autor als Idee jenes russischen Filmproduzenten Nathan Jariv angetragen, der gute persönliche Kontakte zu Beduïnen nicht nur selbst besaß, sondern auch vermitteln konnte. Also war Pellegrini eine archaïsch bemessene Besuchszeit lang zu Gast bei jenen Nomaden im Negev. Aber das vorgeschlagene Sujet eines mörderischen Rassismus auch bei Wüstenbewohnern noch des späten 20. Jahrhunderts griff er nur mit der Maßgabe auf, es mit vergleichbaren Mißständen in der kultivierten Bundesrepublik in Beziehung zu setzen. So entstand dieses seinerzeit visionäre Drehbuch über rechtsradikalen Fundamentalismus wo und wann auch immer.
"Eine Feldstudie" (1982/83) schließlich macht mit den vorgefundenen Berichten klinisch Verstorbener und mit deren verführerischen Nahtod-Erlebnissen Ernst, indem es die hieraus resultierende Tod- und Angstlosigkeit eines medizinisch Wiederbelebten mit den Deformationen einer großstädtisch "aufgeklärten" Hochhaus-Gesellschaft komisch kollidieren läßt.
In der Gestalt des befreiten Trans- und Wiedergängers Jakob, der jenen vogelfrommen Kreolen Yunas des späteren Stückes schon plausibel vorwegnimmt, schließt sich der Kreis auch einer kulturellen Botschaft dieses Autors.
Sie eben kann nun zu einer Zeit, die mit modischen Hörbüchern ein crossing over der Gattungen zu begünstigen liebt, auch in Gestalt jener wiederentdeckten Lese-Dramen aus kultivierteren Epochen eine mühelos lustvolle Lektüre sein.